Kindliche Angst – Hilfe! Ist die Angst meines Kindes normal?

Mama, ich habe Angst, dass unter dem Bett ein Monster ist. Du musst alle Lichter anlassen, damit keine Gespenster kommen. Und was, wenn ein Dieb bei uns einbricht?

Diese und ganz viele weiteren Aussagen und Fragen hat mir mein Sohn (5 Jahre) gestellt.

Ich bin mir sicher, du kennst diese ängstlichen Aussagen von deinem Kind auch, oder?

Überall gibt es Bücher zum Thema Wut. Dieses Gefühl ist in aller Munde. Wut ist gut. Wutausbrüche in der “Autonomiephase”, in der Wackelzahnpubertät, Frust begleiten, Wut Raum geben, von Sauer zu Trauer… 

Zum Gefühl der Angst, gibt es deutlich weniger Literatur und Aufruhr in den sozialen Medien. Warum? Vielleicht, weil wir selbst zu viel Respekt (oder Angst) vor der Angst haben? 

Komm mit! Ich nehme dich mal mit auf eine kleine Reise näher zum Gefühl Angst. 

Was will uns das Gefühl Angst sagen?

Jedes Gefühl hat seine Berechtigung und eine wichtige Bedeutung.

Während die Wut uns sagt: “Stopp hier stimmt etwas nicht. Es ist etwas falsch oder meine Grenze wurde überschritten”, sagt uns die Angst: “Halte Inne. Es könnte gefährlich sein. Überprüfe deine weiteren Schritte”. 

Eigentlich gar nicht mal so dumm, oder?

Warum haben wir vor der Dunkelheit Angst?

Viele Kinder und auch viele Erwachsene haben besonders Angst vor der Dunkelheit.

Diese Angst vor der Dunkelheit steckt so tief in uns drinnen, tief in unserem Reptiliengehirn. In der Steinzeit war es nämlich gefährlich, im Dunklen alleine hinauszugehen. Ein Tiger oder anderes Tier hätte uns überfallen können. Heutzutage gibt es diese Gefahr zwar nicht mehr. Und trotzdem gehen wir lieber bei Tageslicht in den Keller oder zum Gartenschuppen, als in der Dunkelheit.

Welche Angst normal in der kindlichen Entwicklung?

Hier eine kleine Übersicht für dich, in welche Entwicklungsphase, welche Angst “normal” ist. 

Ängste im Kleinkindalter (0-3 Jahre)

In der frühen Kindheit haben Kinder, Angst vor dem Verlust des Körperkontakts mit seinen Bezugspersonen (Trennungsangst). Die Angst vor Fremden beginnt meist mit 6/8 Monaten (Fremdelphase).

Kinder haben in diesem Alter oft Angst vor Blitz, Donner, Feuer, Wasser, Dunkelheit, Alpträume.  Unbekannte Reizen, laute Geräusche oder verkleidete Menschen können sie ebenfalls verängstigen.

Ängste im Kindergarten und Vorschulalter (4-7 Jahre)

Im Kindergarten- und Vorschulalter beziehen sich die Ängste der Kinder auf Unbekanntes, unheimlichen Geräuschen, Geistern, Kobolde, Monster unter dem Bett, Diebe, Einbrecher.

Die Angst vor der Dunkelheit bleibt oft noch bestehen, somit auch oft die Angst nachts alleine im Bett zu liegen. Ungewöhnlicher Schatten können ebenfalls Ängste auslösen.

Kinder können in diesem Alter auch eine Angst vor bestimmten Tieren bekommen.

Die Angst vor Krankheiten, dem Tod, sei es dem eigenen oder dem Tod von Menschen, die es liebt, kann in diesem Alter ebenfalls ausgeprägter sein.

Ängste im Grundschulalter (7-11 Jahre)

Im Grundschulalter beginnen zunehmend die sozialen Ängste. Die Kinder haben Angst vor Ablehnung durch Gleichaltrige oder davor negativ beurteilt zu werden. Die Angst, dass den Menschen, die sie lieben, etwas zustösst, kann zunehmen.

Schulangst und Leistungsangst kann in diesem Alter ihren Anfang haben.

Ängste in der Jugend (12-18 Jahre)

Die Angst vor Ablehnung bleibt oft bestehen. Sowie auch die Angst vor dem, was andere über sie denken. Jugendliche können zudem eine Angst entwickeln, etwas zu verpassen (FOMO).

Schulangst, Leistungsangst, Prüfungsangst sind in diesem Alter ebenfalls sehr verbreitet.

In diesem Alter können Kinder verängstigt auf globalen Ereignissen oder Naturkatastrophen reagieren.

Ist die Angst angeboren oder durch die Umwelt bedingt?

Wie bei allen anderen Ausprägungen, Charakterzüge, Gefühle, Fähigkeiten ist es auch bei der Angst ein Wechselspiel zwischen Umwelt und DNA.

Es gibt Kinder, die auch nach einem Beinbruch wieder auf den gleichen Baum klettern, von dem sie heruntergefallen sind und keine Angst zeigen. Andere Kinder wiederum trauen sich nicht auf einem Baumstamm zu balancieren, aus Angst herunterzufallen.

Wir Eltern sind ein wichtiger Einflussfaktor! Deine Reaktion auf das Verhalten deines Kindes und dein Umgang mit deiner Angst, prägt dein Kind.

Bist du dir deiner Angst bewusst? Wie groß ist sie? Wovor hast du Angst?

Wie viel Angst ist normal?

Diese Frage ist gar nicht so einfach im Allgemeinen zu beantworten, gerade eben weil alle Kinder so unterschiedlich sind.

Eine Angst, die von der Norm abweicht, hindert das Kind daran, neue Erfahrungen zu sammeln. Wenn sich die Angst in unterschiedlichen Momenten (zu Hause, Kita, bei den Großeltern) zeigt und sehr viel Raum einnimmt, ist sie ernster zu nehmen. 

Wenn du dir unsicher bist, ob die Angst deines Kindes noch normal ist, spreche mit anderen Bezugspersonen (Erzieher, Lehrer, Familie,…). Frag nach ihrer Meinung. 

Gerne kannst du dich auch bei mir melden. 

Wie gehe ich mit der Angst meines Kindes um?

So wie mit jedem Gefühl!

Schenke der Angst Raum.

Lass die Angst da sein.

Heiße die Angst willkommen. “Hallo Angst, was willst du uns denn heute sagen?”.

Viel zu schnell wollen wir Eltern dieses unangenehme Gefühl den Kindern abnehmen. Wir machen ganz viel, damit die Angst so schnell wie möglich verschwindet. Nur nehmen wir unserem Kind die Möglichkeit zu lernen mit dem Gefühl Angst umzugehen.

Und mit wem könnten sie es besser lernen, als mit uns?

Drei Schritte im Umgang mit der Angst:

  1. Hallo Angst!
    Angst Willkommen heißen.
  2. Ich bin da.
    Sicherheit schenken.
  3. Was brauchst du?
    Gemeinsam handln.

Diese drei Schitte können in der Umsetzung sehr unterschiedlich aussehen. Hier ein kleiner Dialog, wie ich ihn mit meinem Sohn (5 Jahre) hatte:

Er: “Mama, ich habe Angst, dass Gespenster kommen.”
Ich: “Oh die Angst ist wieder da. Wo ist denn die Angst in deinem Körper?”
Er: “Im Bauch.”
Ich: “Im Bauch ist die Angst und wie fühlt sie sich an?”
Er: “Nicht schön.”
Ich: “Die Angst kann ganz schön unangenehm sein. Wie sieht die Angst denn aus?”
Er: “Die Angst ist ganz dunkel. Alles schwarz.”
Ich: “Oh eine dunkle Angst, die Bauchschmerzen macht. Ich bin ganz nah bei dir. Spürst du meine Hand in deiner Hand?”
Er: “Ja”.
Ich: “Was bräuchtest du denn jetzt, damit es dir mit der Angst besser geht?”
Er: “Licht.”
Ich: “Dann lass uns einmal das Zimmer hell machen. Und zum Schlafen, werde ich das kleine Licht dann gleich anmachen. Ist es so besser?”
Er: “ja.”

Dies war ein Dialog von vielen. Es waren nur wenig Worte. Zwischen den Fragen und Antworten, haben ich ihm sehr viel Zeit gelassen. In anderen Gesprächen haben wir über uns Gespenster oder Monster unterhalten. Jedes Gespräch über seine kindliche Angst war etwas anders.

Rede mit deinem Kind über deine Ängste, die du als Kind hattest!

Kindern tut es so gut zu erfahren, dass ihre Ängste ganz normal sind.

Erzähle von deinen Ängsten, die du als Kind hattest und wie du mit dieser Angst umgegangen bist. Auf diese Weise fühlt sich dein Kind weniger alleine in seiner Situation und vor allem verstanden. Dein Kind bekommen das Gefühl: “Bei mir ist alles in Ordnung, Mama/Papa kennen dieses Gefühl. Sie verstehen mich.”

Und last, but not least:

Gute Neuigkeit! Vermehrte Angst von Kindern bedeutet oft, dass sie gerade einen Entwicklungsschritt meistern oder gemeistert haben.

Wünschst du dir mehr Input zum Thema? Vielleicht eine Impulsfolge? Oder eine persönliche Unterstützung?

Dann melde dich bei mir.

Ich freue mich auf deine Nachricht.

Suchst du mehr Impulse zur Angst?

#28 Podcastfolge mit Jürgen Grah zum Zitat:

“Wenn wir uns ständig Sorgen machen, fallen wir einzig und allein unseren Fantasien zum Opfer und sind unfähig zu handeln, weil es eben Fantasien und nicht Tatsachen sind, die uns bedrohen.” 

Jesper Juul